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Problem aller Generationen: Kommunen fordern „Fonds gegen Einsamkeit“ mit 500 Millionen Euro
Einsamkeit betreffe längst nicht nur ältere Menschen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds. Der Einsatz dagegen dürfe nicht am Geld scheitern. Dies stärke auch die Demokratie.
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Für viele Menschen sind die Feiertage eine Zeit der Begegnung mit Familie und Freunden. Viele andere aber bedrückt in dieser Zeit etwas noch mehr als sonst schon: Sie fühlen sich allein und einsam. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt nun zum Fest vor einem „Jahrzehnt der Einsamkeit“ und fordert stärkere Investitionen in die soziale Infrastruktur – und dafür zusätzliche Mittel.
„Der Einsatz gegen Einsamkeit darf nicht am Geld scheitern“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Neben einer grundsätzlich deutlich besseren Finanzausstattung der Kommunen braucht es daher auch ein starkes Programm von Bund und Ländern gegen Einsamkeit.“
Ehrenamt könne viel leisten, aber nicht jede Lücke füllen. „Neben einer grundsätzlich deutlich besseren Finanzausstattung der Kommunen braucht es daher auch ein starkes Programm von Bund und Ländern gegen Einsamkeit. Mit einem Fonds gegen Einsamkeit können wirksame Unterstützungsstrukturen geschaffen werden“, sagte Berghegger.
Kommunen sind die Orte, an denen Einsamkeit zuerst bemerkbar wird – und zugleich kann dort am wirksamsten gegensteuert werden.
André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds
Berghegger plädierte für einen „Fonds gegen Einsamkeit“, der nach seiner Ansicht mit 500 Millionen Euro für diese Legislaturperiode ausgestattet sein sollte. „Kommunen sind die Orte, an denen Einsamkeit zuerst bemerkbar wird – und zugleich kann dort am wirksamsten gegensteuert werden.“ Die Finanzierung könne „durch Gelder der Europäischen Union, Restmittel im Bundeshaushalt oder Umschichtungen in den Einzeletats“ erfolgen.
Künftig braucht es noch stärkere niedrigschwellige, dauerhafte und verlässliche Angebote, die alle Altersgruppen erreichen. Begegnungsorte sollten möglichst verlässlich geöffnet sein – „ohne lange Schließzeiten, ohne Urlaubszeiten, ohne krankheitsbedingte Ausfälle und ohne frühen Feierabend“. Das Signal müsse lauten: „Wir sind immer da.“
Beispielhaft nannte Berghegger Bibliotheken und Volkshochschulen „als Orte des Austauschs und des lebenslangen Lernens“. Solche Einrichtungen müssten dauerhaft offenstehen – gemeinsam in der Kombination von Haupt- und Ehrenamt.
Einsamkeit betreffe längst nicht nur ältere Menschen, sondern sei zu einem generationenübergreifenden Phänomen geworden, betonte der 53-Jährige. Das wiederum berge die Gefahr gesellschaftlicher Entfremdung und könne Radikalisierung Vorschub leisten. „Dem müssen wir gesamtgesellschaftlich mit funktionierenden sozialen Bindungen und lebendigen Gemeinschaften begegnen.“
Das Phänomen Einsamkeit sei zwar nicht neu, es verstärke sich aber derzeit in Deutschland und weltweit durch die wachsende „Flucht ins Digitale, die schwierige wirtschaftliche Lage und die globalen Entwicklungen“.

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Sich gegen Einsamkeit einzusetzen, bedeute auch, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie zu stärken. „In Zeiten, in denen die sogenannten Sozialen Medien Individualisierung und Isolierung beschleunigen, ist dies besonders wichtig“, unterstrich Berghegger.
Ein Blick ins Ausland zeige, dass Einsamkeit in vielen Staaten bereits hohe politische Priorität bekommen habe. „Ob durch besondere Beauftragte, nationale Strategien oder sogar Ministerien – erfolgreich ist Engagement dort, wo Einsamkeit als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe verstanden wird“, sagte Berghegger.
So müsse die Qualität realer sozialer Kontakte gestärkt werden. „Keine noch so gute sprachgestützte Künstliche Intelligenz kann ersetzen, was in Vereinen, beim gemeinsamen Kochen oder bei einem persönlichen Gespräch vor Ort geleistet wird“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.
Ramelow fordert Räume der Begegnung
Auch Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte mehr Orte der gesellschaftlichen Begegnung. Gerade in der digitalisierten Welt zähle vor allem Individualisierung – dabei gebe es nach wie vor eine große Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, sagte er dem Portal Web.de. Die digitale Welt täusche darüber hinweg, „dass die innere Leere und Einsamkeit gefüllt wird durch bunte Bilder“.
Auch Ramelow forderte neue Orte des Zusammenkommens. „Wir brauchen Räume, in denen sich Menschen wieder begegnen können.“ Aktuell würden immer mehr Dorfläden und Dorfkneipen schließen und immer weniger Menschen kämen in den Gottesdienst. „Aber die Sehnsucht, miteinander etwas zu erleben, ist immer noch da.“
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